Die positive Seite des Virus: Wertschätzung, Hoffnung und Chance für eine zeitgemäße Lehr- und Lernkultur

Wertschätzung

Ab wieviel Stunden Homeschooling werden eigentlich Eltern (zumindest auf Probe) verbeamtet?

Fundstück Whatsapp

Die Schule als Lebens- und Betreuungsort, als Ort der Begegnung und des Miteinanders, als oft ganztägliche Lern- und Lach, Spiel- und Speisestätte, Treffpunkt, Rückzugsort, Schutz- und Komfortzone ist plötzlich nicht mehr da. Der Wegfall der gewohnten Strukturen und die erzwungene Umstellung auf neue Lebens- und Arbeitsformen sowie neue Lern- und Kommunikationswege stellt uns alle vor eine große Herausforderung. SuS, Eltern und LehrerInnen kommen an ihre Belastungsgrenze und teilweise darüber hinaus.
Vielen Menschen wird jetzt bewusst, dass eben diese Schule mehr ist als eine Bildungs- und Erziehungsanstalt, dass es nicht nur um die Vermittlung von Wissen, Können und Haltung geht, sondern dass dieser Ganztagsbetrieb eine Stütze der Gesellschaft ist.
Schule hilft allen, entlastet und gibt Eltern die Möglichkeit, wirtschaftlich aktiv zu sein.
Die Corona-Zeit brachte den Schulen die fehlende Wertschätzung und den LehrerInnen den mangelnden Respekt zurück.
DANKE!

Hoffnung

cc by Stephanie Groshell  educationrickshaw.com

Meine Vision von zeitgemäßem Lehren und Lernen als Resultat der Krise ist:
“Ein neues und zeitgemäßes Lehr- und Lernsetting, das sich  auf die Kultur der Digitalität und lebenslanges Lernen bezieht und damit den aktuellen Transformationsprozess von Schule und Gesellschaft im Fokus hat. SuS besitzen eine ausgeprägte Lernkompetenz (Selbststeuerungskompetenz, Kooperationskompetenz und Medienkompetenz) und sind künftig dazu fähig, Verantwortung für den eigenen Lernprozess zu übernehmen.  Von der Instruktion zur Konstruktion: Die Rolle der Lehrpersonen wandelt sich vom Unterweiser zum Lernbegleiter. Über neue Lehr- und Lernformate, digitale Kommunikation, Kollaboration und Begleitung können Sie individuell, kooperativ, kompetenzorientiert, selbstorganisiert, selbstgesteuert und selbstverantwortlich lernen.”

Chance

Übrigens: Das Wort Krise besteht im chinesischen aus zwei Schriftzeichen. Das eine bedeutet Gefahr, das andere Chance; also nutzen wir die Gelegenheit!

… gelesen im WWW und genutzt.

Die eigentliche Arbeit beginnt erst jetzt!
Der Krisenmodus verbirgt eine große Chance und macht Hoffnung für eine schnellere digitale Transformation des Bildungssystems. Corona hat alle LehrerInnen in den Modus gebracht, Fernunterricht flächendeckend zu praktizieren. Durch die Schulschließungen mussten die Lehrer auf digitale Räume ausweichen und sie haben die Zeit bekommen, dies zu tun. Diese neue Herausforderung wurde angenommen. Vier Wochen “Corona-Ferien” waren effizienter als die vergangenen 10 Jahre Lehrerfortbildung und haben dazu geführt, dass Lehrkräfte die Potenziale digitaler Medien nutzen und flächendeckend einsetzen.
Der große Vorteil zu früher ist die verbreitete Erkenntnis, dass langfristig eine Veränderung des Lernens und Lehrens dringend benötigt wird. Nicht nur im Twitter-, sondern im ganzen Lehrerzimmer wird über den Einfluss des Digitalen und eine notwendige Veränderung der schulischen Bildung diskutiert.
Lernen und Lehren muss für die Zukunft anders organisiert werden, weshalb die Kultur der Digitalität stärkeren Einzug in die Schule erhält als zuvor. Wir brauchen zeit- und ortsunabhängige Lernszenarien, die kollaboratives Arbeiten ermöglichen und unterstützen und in denen Präsenzphasen (mit der ganzen Gruppe) nur eine Form davon sind.
Diese digitale Welt ist unsere Welt der Zukunft!
Die Welt, für die unser Bildungswesen geschaffen wurde, existiert nicht mehr.
In Traditionsschulen geht es noch immer um die Vermittlung von kognitivem Belehrungswissen; obwohl die Unvorhersagbarkeit atemberaubend ist, bereitet das Bildungssystem die SuS auf die Welt vor, erzieht sie und bildet sie aus. Es geht aber nicht mehr um Wissen, sondern um den Erwerb von Kompetenzen (4K-Modell) und Haltung damit sich SuS in einer dynamischen Welt zurechtfinden können. 
Bitte nicht mit Macht und Wucht zurück zu alten Mustern! Wieso auch? Der Zeitraum bis wir in die Normalität zurückkehren können wird in jedem Fall länger dauern als gedacht. 
Hier liegt die Chance: Wir müssen den aktuell vorhandenen Digitalisierungsschwung mitnehmen und auf Basis der zum Teil mühevollen Erfahrungen ein Konzept für die zeitgemäße Bildung entwickeln. Auf der Grundlage der kurzfristigen Planungen und den vielen verschiedenen Ad-hoc-Lösungen gilt es nun, konzeptionell zu arbeiten und eine langfristige schulspezifische Lösung zu entwickeln. Es muss jetzt darum gehen, die Zeit bis zu den Sommerferien zu nutzen, um tiefer in die Kultur der Digitalität einzutauchen. Gute Erfahrungen und Fortschritte in Sachen digitaler Bildung wurden gemacht; eine stabile Grundlage für weitere Schulentwicklungsprozesse ist gegeben.

Veränderung – Transformationsprozess

„Wenn sie einen Scheißprozess digitalisieren, dann haben sie einen scheiß digitalen Prozess.“

Thorsten Dirks, CEO von Telefónica Deutschland

Viele Beteiligte mussten digitales Neuland betreten und haben versucht, Ihren Unterricht digital abzubilden und Bestehendes zu digitalisieren. Bezogen auf das SAMR-Modell haben fast alle LehrerInnen den ersten S-Schritt (S-Substitution) gemacht und ihre analogen Inhalte digital ersetzt. Videokonferenzformate, digitale Tafeln und Arbeitsblattgeneratoren waren die meistgefragten Tools der vergangenen vier Wochen. Wir müssen weg von der Technikdebatte, hin zu einem zielführenden didaktischen Konzept, wir müssen weg von der Technik (-beratung) hin zu einem(r) Konzept(-beratung)!
Das SAMR-Modell verdeutlicht, dass der Einsatz von digitalen Medien sich nicht darauf abzielt, die analogen Medien zu ersetzen oder zu erweitern. Ziel der LehrerInnen sollte es sein, durch die Integration digitaler Werkzeuge in den Unterricht veränderte und neue didaktische Lernsettings zu generieren. Diese sollten auf zeitgemäße Lernziele – alle 4 Dimensionen der Bildung (inkl. 21st Century Skills) – ausgerichtet sein. Ein Beispiel wäre die kollaborative Arbeit an einem intelligenten Lernprodukt. 
Bitte lasst uns gemeinsam über große A- und M-Schritte das R erreichen und unsere Lernsettings neu definieren.

Aktion: Proaktives Handeln
für den Wandel

“don’t ask for permission ask for forgivenesse; das Maß der Vergebung ist allemal höher als das Maß der Genehmigung.”

Philipp Wrampfler + Angelika Fabricius

Machen ist wie wollen, nur krasser! Und wer, wenn nicht wir?
LehrerInnen gehören zu der am existenziell abgesichertesten Berufsgruppe. Sie sind frei im Handeln und Denken und der “Bottom” der “up”-Bewegung … und haben plötzlich ungeahnte Frei- bzw. Zeiträume, um proaktiv zu handeln. Warten wir nicht auf Entscheidungen von oben, sondern brechen wir das Hierarchiedenken, sind mutig und nutzen die Aufbruchsstimmung für Neues.
“Auf den Lehrer kommt es an!” … und zwar nicht nur bezogen auf den schulischen Lernerfolg der SuS, sondern vor allem bezogen auf die notwendigen Veränderungen des Lehrens. Lehrkräfte können direkten Einfluss auf antiquierte Curricula nehmen und das neue Leitmedium, das Smartphone (der vernetzte Computer) in die Hand und das Buch weg legen. Wir müssen den Digitalisierungsschub nutzen und die Lehrerrolle neu überdenken, neu definieren und mehr vom Unterweiser zum Lernbegleiter werden. Dieser berät die SuS bei ihrer täglichen Freiarbeit, gibt Hilfestellungen, Denkanstöße und stellt Lernmaterialien zur Verfügung, wenn sie benötigt werden.
Jetzt kommt es auf die Veränderungsbereitschaft jedes Einzelnen an: Wir alle können Schule verändern und gestalten; dabei kann die Digitale Bildung der Schlüssel zur Runderneuerung von Schule sein. So hat das Rezo-Video auf Youtube “Zerstörung der CDU” bewiesen, dass man als Einzelperson die inhaltliche Auseinandersetzung mit politischen Themen und anschließende Debatten anstoßen kann.
Unsere Gesellschaft braucht gerade jetzt Menschen und Lehrer, die Verantwortung übernehmen und innovativ sind und unser veraltetes Schulsystem reformieren.
Dabei sollten wir nicht an den Status Quo und die Normalität des Unterrichts denken, zu der wir schnell zurückkehren möchten, sondern lassen wir uns so tun, als sei die aktuelle Situation normal.
Lasst uns im Kollegium und in den Fachbereichen vernetzen und diskutieren darüber, was Lernen im 21. Jahrhundert ausmacht, austauschen (das geht auch in Videokonferenzen), ausprobieren und testen, “quick an dirty”, … am Ende könnten eine neue Lehr- und Lernkultur, neue Aufgabenformate und didaktische Konzepte stehen – eine Form der Bildung,  die auch in der Zukunft und neuen Corona-Zeiten tragfähig ist.

Bildungsungleichheit

Titelbild Der Spiegel Nr. 18 vom 25.04.20

Natürlich deckt der Virus auch die Schwächen unseres antiquierten Bildungssystems auf, die Corona-Krise verstärkt die Bildungsdisparitäten und zeigt auf, wie stark der Bildungserfolg von der sozialen Herkunft abhängt. Wer keinen Internetzugang, kein taugliches mobiles Endgerät hat, kann an digitalisiertem Unterricht nicht oder nur eingeschränkt teilnehmen. SuS die noch keine Lernkompetenz haben und keine Eltern, die beim häuslichen Lernen unterstützen können, lernen weniger als sonst.
Unterschiede zwischen den Schulen, aber vor allem in der häuslichen Ausstattung der SuS, führen zu deutlichen Lernrückständen und verstärken die sozialen Ungleichheiten. 
Das Positive an diesen Erkenntnissen: Die Debatte über die Bildungsgerechtigkeit wird und ist neu eröffnet. Es wird Geld in die Hand genommen: Der Bund plant, zusätzliche 500 Millionen Euro für mobile Endgeräte für bedürftige Kinder aufzuwenden, Länder (wie Berlin) verleihen tausende iPads an SuS aus sozial benachteiligten Familien.
Ziel des Digitalpakts war und ist es, die Räumlichkeiten der Schulen für das digitale Arbeiten  fit zu machen, für alle Unterrichtsräume eine funktionierende IT-Grundstruktur und den Support vor Ort sicher zu stellen. Im Rahmen des durch die aktuelle Corona-Krise durchgeführten Fernunterricht wird im Hinblick auf die Bildungsgerechtigkeit klar, dass zeitnah ein Digitalpakt 2 für die häusliche Ausstattung von mobilen Endgeräte folgen muss.

Handlungsempfehlung: Die Gebrauchsanleitung fürs Internet

Hier findet Ihr Teil 2 und 3 der Grafik: LINK

… die es natürlich nicht gibt, da wir nicht mehr in einer Welt leben für die eine Bedienungsanleitung vorliegt. Wichtig ist aber, zu verdeutlichen, dass es beim Homeschooling nicht nur um digitale Lehrermaterialien (Apps, Lern- und Erklärvideos, Arbeitsblätter), sondern vor allem um den persönlichen Kontakt und Beziehungen zu den Lernenden geht. LehrerInnen müssen direkter Ansprechpartner sein: Es geht darum, die individuelle Unterstützung des Lernprozesses der SuS während den unterrichtsersetzenden Lernsituationen aufrecht zu erhalten (Handreichung HKM).
Wir sollten dafür eine authentische, wohlwollende, emphatische und unterstützende Beziehungsebene gegenüber SuS (Eltern) schaffen, aufbauen und aufrecht erhalten.
In einer Phase  der Überlastung, die oft frustrierend ist, sollten wir beruhigend aktiv sein, uns Zeit nehmen, über Ängste und Sorgen zu sprechen, sich um das Wohlbefinden kümmern. 
Dazu benötigen wir direktes Feedback. Wir dürfen nicht auf die Bedienungsanleitung warten, sondern müssen über Nachfragen und Reden, über die direkte Kommunikation mit den Betroffenen unser eigenes Handbuch schreiben, die passgenaue Lösung herausfinden und entwickeln. 
Für die anstehende Kombination von Präsenzunterricht und unterrichtsersetzenden Lernsituationen sollten nur bedingt neue Lerninhalte eingeführt werden, sondern der Schwerpunkt auf dem Üben und Festigen von bereits zu weiten Teilen erarbeiteten Lerninhalten gelegt werden.
Um dabei der Bildungsungerechtigkeit entgegenzuwirken, ist eine positive Diskriminierung unvermeidlich: leistungsschwächere SuS aus bildungsfernen Familien sollten Vorrang haben vor anderen!

Zusammenfassende Handlungsempfehlung:

1. Sich den SuS zuwenden, Beziehung aufbauen und stabilisieren, Resonanz zeigen, einfach präsent und da sein

2. Unterrichtswandel (Selbstwirksamkeit statt Fremdbestimmung) und neue Aufgabenkultur (problemorientierte und kollaborative Projektarbeit)

3. Vorbild sein: selbst lernen und fortbilden durch lesen 

4. Vernetzen: Aufbau eines persönlichen Lern-Netzwerks (PLN)

Tipps zur Umsetzung

zu 1: Telefon, Messenger, Videokonferenz, Audionachricht, persönliche Erklärvideos, E-Mail, …

zu 2:  8 Tipps für das DistanzlernenUnterrichtswandel und AufgabenkulturWie organisiere ich als Lehrkraft Lernprozesse online? UnterrichtsmaterialienE-Learning zu Hause: Lernen und Kommunizieren trotz Unterrichtsausfall

zu 3: »digitale Bildung« und »zeitgemäßes Lernen« – Bemerkungen zu zwei Haltungen – Bildung unter den Bedingungen der DigitalitätDigitalien sucht Supermodell – 

zu 4: LINK

Ein Gedanke zu „Die positive Seite des Virus: Wertschätzung, Hoffnung und Chance für eine zeitgemäße Lehr- und Lernkultur

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